27.5.08

PHÄNOMENOLOGIE DES THEATERS von Jens Roselt


Jens Roselt
PHÄNOMENOLOGIE DES THEATERS

Verlag Wilhelm Fink, München 2008
ISBN 978-3-7705-4615-6


Die potenzielle Doppeldeutigkeit wurde in der Schauspieler schon früh thematisiert. So hat der französische Schauspieler Benoit Constant Coquelin (1841-1909) den Schauspieler als "double personality", als eine Art Doppelwesen, bezeichnet. In seinem zunächst auf English erschienen Aufsatz Acting and Actors von 1887 begründet er diese Doppelheit damit, dass Schauspieler sowohl Spieler als auch die gespielten Instrumente seien. Auch diese theoretische Unterscheidung kann nichts darüber hinwegtäuschen, dass die schauspielerische Leistung nie von der individuellen Persönlichkeit eines Schauspielers abstrahiert werden kann. Die Beurteilung von Schauspielern wird nämlich dadurch heikel, dass dabei "die Verachtung der Kunst immer zugleich die Person streift." Was Johann Jakob Engel hier in seinem Ideen zu einer Mimik von 1785 über die Verachtung der kunst sagt, gilt allerdings auch für deren Beachtung. Schauspieler sind Attraktionen. Der anblick des Menschen auf der Bühne kann eine Wirkung entfalten, die durch Erotik, Scham oder auch Ekel gekennzeichnet ist und wegen ihrer Unmittelbarkeit stets aus dem ästetischen Rahmen zu fallen droht. Wer sich über die Darstellung eines Schauspielers äussert, spricht nicht nur über ein Kunstprodukt, sondern zugleich über einen individuellen Menschen, der vor den Augen der Zuschauer seine Kunst ausübt. Ästehetische und etische Aspekte können dabei nicht komplett getrennt werden, Schauspieler sind Macher und Gemachtes in einer Person.

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